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Kollege pfeift auf Bürokratie

Diamantbericht...Ein aus Syrien geflüchteter Goldschmied arbeitet seit dreieinhalb Jahren bei Otterpohl/33790 Halle. Die Handwerkskammer will dessen Ausbildung nicht anerkennen. Sein Chef wünscht sich mehr Flexibilität.

Die Flüchtlingsbürokratie ist Feras Kastoun vertraut und jetzt lernt auch er die Handwerksbürokratie kennen. Sein Berufsabschluss aus Syrien wird nicht anerkannt.

Wolfgang Otterpohl kann sich darüber richtig in Rage reden. „Das ist arrogant und unmenschlich", zürnt der 69-Jährige. „Auch woanders können Menschen tolle Sachen lernen", ist der Goldschmiedemeister überzeugt. Feras Kastoun sei mit seiner hochwertigen Arbeit ein gutes Beispiel dafür. Der 41-jährige kommt Ende August 2015 als Flüchtling aus Damaskus.

Goldschmiede leben gefährlich im Kriegsland Syrien, denn sie gelten als reich. Kastoun soll zweimal entführt werden und kommt davon. „Wegen Lösegeld." Die Polizei ist überfordert. Er solle sich doch selbst schützen, lautet ihr Rat – und da macht er sich auf dem Weg.

In Damaskus beschäftigt der Kunsthandwerker bis dahin vier Mitarbeiter. 15 Tage später steht er nach einer Reise über die Türkei und Griechenland am Münchener Hauptbahnhof. Auf Umwegen landet Feras Kastoun in einer Flüchtlingsunterkunft in Peckelsheim (Kreis Höxter) und wird sofort aktiv.

„Ich habe 17 Jahre lang immer gearbeitet und durfte das als Flüchtling nicht mehr", erinnert er sich. Kastoun reinigt für die Stadtverwaltung Freiflächen oder schlägt Weihnachtsbäume. „Jetzt kennt Feras alle Kriterien für gute Christbäume ganz genau", berichtet Wolfgang Otterpohl lachend.

Sein heutiger Mitarbeiter lernt auf eigene Initiative Deutsch und darf kurze Zeit später offiziell im Kreis Höxter arbeiten. Im Internet findet er die Goldschmiede Otterpohl. Die liegt aber im Kreis Gütersloh. Petra und Wolfgang Otterpohl fahren zum Vorstellungsgespräch nach Peckelsheim.

„Wir waren uns schnell einig", sagt Wolfgang Otterpohl. Landrat Sven-Georg Adenauer hilft dabei, dass Feras Kastoun im Kreis Gütersloh arbeiten kann und jetzt lebt der Syrer seit dreineinhalb Jahren in Halle. Sein Chef ist überzeugt: „Feras hat meisterliche Fähigkeiten, davon können sich viele Deutsche eine Scheibe abschneiden."

Die Handwerkskammer Ostwestfalen zu Bielefeld schmückt sich mit dem „Goldschmiedegesellen" in ihrem Jahresbericht und berichtet darüber, dass er „in Damaskus 15 Jahre als Goldschmied gearbeitet hat und davon fünf Jahre als Lehrling in verschiedenen Betrieben".

„Nur als Gesellen anerkennen wollen sie ihn nicht", sagt Wolfgang Otterpohl ärgerlich. Aus seiner Sicht haben Kastoun und er alles versucht. „Wir haben die Handwerkskammer mehrfach angeschrieben und Feras hat Dokumente auf seine Kosten übersetzen lassen." Es nützt auch nichts, dass Goldschmiedetechniken aus Syrien schon bei Otterpohl umgesetzt wurden.

Seit 35 Jahren prüft Wolfgang Otterpohl Gesellen im Goldschmiedehandwerk und sitzt im Meisterprüfungsausschuss. Er kennt die Regel und fordert auch die Rückkehr zur Meisterpflicht in seinem Beruf bei Selbstständigen. „Warum können wir nicht einen Prüfungsausschuss bilden und den Wissensstand von Feras prüfen?", will er wissen. Die Kammer könne immer nur mitteilen, was nicht gehe. „Feras soll eine normale Ausbildung machen, das ist unzumutbar."

„Wir haben uns jetzt davon frei gemacht", betont Wolfgang Otterpohl. Feras Kastoun besucht Weiterbildungen beispielsweise im rechnerunterstützten Konstruieren (CAD) und lernt viel als Autodidakt. „Ich habe die größte Freude daran, wenn ich ein Schmuckstück von der ersten Zeichnung bis in das Schaufenster herstellen kann", sagt der Syrer und strahlt. Dafür braucht er keine Bürokratie.