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Schmuck Diamond Week

„Viele gehen bei Diamanten nach der Größe. Kenner nach der Farbe“

Eines der wichtigsten Zentren des Diamantenhandels liegt außerhalb von Tel Aviv. Außenstehende haben allein aus Sicherheitsgründen nur selten Zutritt. Unseren Autoren gelang ein Blick hinter die Kulissen.

Marylin Monroe besang in „Diamonds are a girl’s best friend“ nur die halbe Wahrheit: Auch Männer pflegen ein libidinöses Verhältnis zu Diamanten. Während Frauen sie in der Regel tragen, ist der Handel mit den kostbaren Steinen ungefähr so männlich besetzt wie eine Dorfkneipe nach Feierabend. Frauen haben hier wie dort ihren Platz – nur nicht am Stammtisch. Und die Protagonisten scheinen ähnlich schicksalhaft miteinander verwoben zu sein – das allerdings global, nicht am Tresen.

Die Zentren des Diamantenhandels liegen heute in Belgien, China, Indien und Israel. In Ramat Gan, ein Ort kurz hinter Tel Aviv, in dem sich die israelische Diamantenbörse befindet, ist dieser erste Eindruck von männlicher Beziehungsarbeit und Geschäftigkeit überwältigend: Die Herren aus der ganzen Welt begrüßen sich auf der siebten „Diamond Week“ schulterklopfend, ziehen sich hier und da auf die Seite und besiegeln Geschäfte mit Handschlag.

Die Ware – geschliffene Steine unterschiedlicher Größe – ist ohne jede Inszenierung auf leicht angeschlagenen Holztischen ausgebreitet, die auf blauer Auslegware stehen. Gegen die hohe Geräuschkulisse reden auf einer Bühne unter anderem der israelische Wirtschaftsminister und der Chef der New Yorker Diamantenbörse an, indem sie die Kompetenz des anderen und die Karriereaussichten wechselseitig lobpreisen. Atmosphärisch befindet man sich irgendwo zwischen Marktplatz und Klassentreffen in der Schulaula, wo niemand mehr der Rede des Direktors zuhört.

Die Börse und die unzähligen Büros drumherum sind eine Welt für sich und ein Ort voller Gegensätze: Die architektonisch nichtssagenden Hochhäuser sind äußerlich durch modernste Hightech-Überwachungsanlagen und bewaffnete Sicherheitsmänner geschützt, doch in ihrem Innern geht es fast schon familiär zu.

In den Treppenhäusern und auf den Fluren stehen hier und da Türen offen, man kann einen Blick in die Büros werfen. Sie sind erstaunlich klein – selbst die Global Player der Branche residieren auf bescheidenen Quadratmeterzahlen. Diamanten nehmen nun mal nicht viel Platz ein. Hier gehen spektakuläre Steine über den Tisch, aber morgens riecht es wie in einer Behörde nach Kaffee und mittags nach Essensausdünstungen.

Im „Maccabi Building“ befindet sich eine seltene weibliche Enklave. Die „Moldawsky Diamond Limited“ ist wie viele der Unternehmen hier ein Familienbetrieb, einer der ältesten des Landes, es wurde noch vor dem Staat Israel im Jahr 1946 gegründet. Der Sohn des Gründers, Motti Moldawsky, ist einer der Chefs, doch auch Ehefrau Aviva und Tochter Magali handeln mit „schönen, großen Farbdiamanten ab einem Karat“. Doch das ist eine Untertreibung.

Neues von der Uhrenmesse

Auf dem Händlerparkett, ein paar Stockwerke tiefer gelegen, wo sich Männer in schlecht sitzenden Anzügen auf die Füße treten, trifft man die beiden eher nicht: „Wir fassen kleine Steine gar nicht mehr an. Sie bereiten nur Kopfschmerzen“, sagt Aviva.

Das „Moldawsky Team“ wie Mutter und Tochter von den Kollegen auch genannt werden, hat sich stattdessen auf die seltensten und kostbarsten Diamanten überhaupt spezialisiert, die „fancy coloured Diamonds“. Nur fünf Prozent aller Vorkommen haben eine natürliche Färbung. Und als Naturprodukt ist kein Stück genau wie das andere: „Zwei Steine können ein Zertifikat haben, das ihnen die gleiche Farbe bescheinigt, aber wenn sie nebeneinander auf dem Tisch liegen, haben sie unterschiedliche Nuancen, und das kann einen großen preislichen Unterschied machen“, erklärt Magali.

Es gäbe beispielsweise farbige Einkaräter, die vier Millionen Dollar kosteten. Zum selben Preis bekomme man einen vergleichsweise riesigen weißen Stein: „Viele Leute gehen nach der Größe. Kenner gehen nach der Farbe.“

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Und da kommen die Moldawsky-Frauen ins Spiel. Mutter und Tochter reisen um die Welt, um die Preziosen zu finden und dann an Liebhaber und Sammler zu verkaufen. Auch Diamanten-Farben unterliegen Trends: Gelb sei „das neue Weiß“, Pink und Blau derzeit die begehrtesten Töne. Außerdem arbeiteten sie „mit den besten Juwelieren der Welt“ zusammen.

Juwelen findet man auch in Frankreich

Wer sich derartige Steine leistet, verlange in der Regel auch nach einer einzigartigen Fassung. Entsprechend erlesen ist ihr Klientel, über das die Moldawskys selbstverständlich kein Wort verlieren. Vermutlich ist es noch elitärer als das farbige Steinvorkommen selbst.

Aviva, geboren in Belgien, lernte ihren Beruf einst von ihrer Mutter – so wie heute Magali: Hilde Bergman war 1978 das erste weibliche Mitglied der Antwerpener Diamantenbörse. Und sie war eine der Ersten überhaupt, die mit farbigen Diamanten handelte. Die Pionierin, die 2015 verstarb, hat in der Branche noch immer einen legendären Ruf.

Und wie arbeitet es sich heute als Frau in diesem Business? Vielleicht nicht mehr als Einzelkämpferin, aber dennoch in offensichtlicher Minderheit? „Es ist hart, nur mit Männern zu arbeiten“, sagt Aviva. „Man muss sehr stark sein und darf sich nicht einschüchtern lassen.“

Ihre Tochter, studierte Juristin und Wirtschaftswissenschaftlerin, ergänzt: „Es ist eine Welt, die verschlossen ist. Eine Frau muss sich hier jedenfalls noch mehr beweisen als in anderen Berufsfeldern.“ Vorteile gäbe es aber auch: „Wir sehen die Nuancen der Steine besser als die Männer. Wenn ich einen Diamanten sehe, weiß ich bereits, wie er in einem Schmuckstück aussehen wird“, so Aviva.

Aus den Ateliers und Manufakturen dieser Welt

Zudem sei das Diamantengeschäft die beste Schule für die eigene Verhandlungsfähigkeit: „Man braucht ein Pokergesicht, Kenntnis und Geduld.“ Dass die beiden sowohl im An- als auch im Verkauf sehr erfolgreich sind, nimmt man ihnen jedenfalls sofort ab: Von den beiden geht eine freundlich bestimmte Kompetenz und Autorität aus, die man sonst nur von guten Ärzten kennt.

Die 31-jährige Magali hat zudem gerade ihre eigene Linie „Tanaor“ auf den Markt gebracht. Losgelöst von den für die allermeisten unerschwinglichen Vorlieben ihrer Stammklientel entwirft sie seit Neuestem „Bible Nano Jewellery“, bei dem in jedes Modeschmuckstück ein Computerchip mit dem kompletten Alten Testament eingearbeitet ist – zertifiziert von der Universität von Tel Aviv und einem Rabbi.

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Die Kollektion mit dem Neuen Testament soll in wenigen Wochen erscheinen, weitere Glaubensrichtungen sind in Planung: Religion als Zierde der Menschheit und absolut sozialverträglich. Kein Wunder, dass die Nachfrage groß ist.

Zurück auf der Diamantenmesse fällt eine junge Frau mit dunklen Locken, schwarzen engen Jeans und Armee-Jacke ins Auge. Shanie Zak ist Designerin und auf Diamantschmuck spezialisiert. Sie gehört zu einer jungen Generation von Israelis, die gleichzeitig künstlerisch und unternehmerisch tätig sind.

Die Kreationen ihres Label „Silly Shiny Diamonds“ sind ausschließlich über ihren Online-Shop erhältlich und wie der Name schon andeutet, hat Zak sich als Erstes von der Gravitas und dem Statusgedanken verabschiedet, der in Diamantschmuck meist mit eingearbeitet ist.

Ihre Ketten, Ringe und Armbänder, die sie in ihrem Elternhaus außerhalb von Tel Aviv in einer winzigen Werkstatt entwirft und teilweise selbst herstellt, sind solide gearbeitet, vom Look her aber zart und verspielt: „Ich habe einen Sinn für Humor und eine mystische Ader“, beschreibt die 33-Jährige ihren Stil.

Durchhaltevermögen hat sie ebenfalls. Als sie im Jahr 2010 ihr Business startete, wollte ihr zunächst niemand auch nur einen Stein verkaufen: „Erst trauen sie dir nicht, dann hauen sie dich übers Ohr und erst, wenn du endlich Kaufkraft vorweisen kannst, beginnen sie, dich ernst zu nehmen“, erzählt sie. Außerdem bräuchte man einen Mentor. Den fand Shanie damals per Zufall, als sie in ihrer Nachbarschaft eine „uralte“ Schmuckmanufaktur auftat.

Zum Inventar gehörte ein stillgelegter Maschinenpark und der ehemalige Chef. „Die Arbeiter waren längst in Rente gegangen. Er jedoch saß jeden Tag in seinem Showroom und entwarf weiter Schmuck.“ Und er nahm die junge Designerin unter seine Fittiche: „Er hat mir alles beigebracht, vor allem wie man sich organisiert“, sagt sie. „Es war ein Zusammenprall von Welten: Er in seinem kleinen Raum, ich immer nur online.“

Stücke der Schmucklinie „Silly Shiny Diamonds“ von Shanie Zak. Ihre Entwürfe fertigt sie nach ihren eigenen Skizzen
Stücke der Schmucklinie „Silly Shiny Diamonds“ von Shanie Zak. Ihre Entwürfe fertigt sie nach ihren eigenen Skizzen
Quelle: Shanie Zak

Heute befindet sich der Großteil ihrer Kundschaft außerhalb Israels, sie verschickt die Schmuckstücke inzwischen in die ganze Welt: Filigrane Ringe mit wenigen Glitzersteinchen genauso wie „Braut-Sets“, bestehend aus einem üppigen Verlobungsring mit passendem Ehering. In Shanie Zaks Entwürfen treffen Blumen, Schleifen und Krönchen auf Motive wie Dolche oder fröhliche Außerirdische.

Besonders erfolgreich sind ihre „Infinity Knots“, zu einem Knoten verschlungene Ringe und Ketten, die für die Unendlichkeit der Liebe stehen. Ein nicht unwesentlicher Teil ihres Erfolgs basiert zudem darauf, dass ihre Preise moderater sind als die der Konkurrenz, die die Kosten einer Boutique und eines Mitarbeiter- und Marketingapparates auf die Ware aufschlagen müssen. Silly Shiny Diamonds ist auch deshalb so modern, weil das Label Diamantenschmuck für junge Leute zugänglicher macht, ihnen die Schwellenangst nimmt und trotzdem keine Kompromisse in der Materialqualität kennt. Denn auf außergewöhnliche Steine legt Zak besonderen Wert.

Auch das Schmucklabel „Gizat Hazahav“ verjüngt sich und achtet darauf, „erschwinglicher“ zu sein. Das sagt Daniel Wilk, der vor Kurzem in das Familienunternehmen eingestiegen ist, das seine Eltern 1992 gründeten. In der Shabazi Straße im Tel Aviver Szeneviertel Neve Tzedek befindet sich die Boutique des Labels. Sie ist weiß getüncht, klar und übersichtlich, die Vitrinen für den Schmuck sind rundherum in die Wände eingelassen.

Wie im Museum schaut man hier auf die Entwürfe, von denen keiner wie der andere ist: „Unsere Designs starten mit dem Stein und nicht andersherum. Es gibt keinen Standard, an den sich die Steine anpassen müssen“, erläutert Wilk. Diamanten und Farbedelsteine in allen Schattierungen werden so zu Schmuck verarbeitet, der oft nicht völlig symmetrisch ist.

Die natürliche Schönheit der Ausgangsmaterialien wird so betont. Ungewöhnlich ist auch die Kombination der Edelmetalle: Silber und Gold werden in einem Schmuckstück gemeinsam verarbeitet und „unsere Steine müssen nicht absolut perfekt geformt sein“, erläutert der 29-Jährige.

Speziell das Gold ist zum Markenzeichen von Gizat Hazahav geworden: Es ist 24-karätiges vergleichsweise weiches Feingold und glänzt in ungewöhnlich sattem Gelb. Byzantinische Münzen oder historische Motive dienen außerdem als Inspiration. Die Ringe und Ketten haben eine lebendige Aura – sie bringen einen leicht antiken Spirit von Haus aus mit und warten darauf, von der Trägerin mit ihrer gegenwärtigen Persönlichkeit aufgeladen zu werden.

Der Familienbetrieb fertigt in einem Atelier in Ramat Gan – und auch sie sind natürlich Mitglieder der Börse. „Wir gehen aber nicht dorthin, um auf dem Parkett einzukaufen“, sagt Wilk. „Wir haben unsere eigenen, ganz besonderen Händler, die uns unsere Art von Steinen besorgen.“

Ein durch und durch besonderer Händler, ebenfalls mit Sitz in Ramat Gan, ist Leibish Polnauer. Ein Mann, dem man nicht nur seine Diamanten, sondern auch seine Geschichten abkaufen würde. Doch die gibt es zum Glück umsonst. An diesem Tag sitzt er an seinem Schreibtisch und trägt einen Pullover, der perfekt mit dem leuchtend blauen Gemälde hinter ihm an der Wand mit Szenen aus einem Schtetl harmoniert.

Auch Leibish – wie ihn hier alle nennen – hat osteuropäische Wurzeln: „Ich wurde in einem verschlafenen ungarischen Dorf geboren, wo die Schakale sich gute Nacht sagen“, beginnt der 68-Jährige zu erzählen. Neulich erst sei er mit seinen Kindern dort gewesen. „Nichts hat sich verändert.“ Sein Leben jedoch war stets in Bewegung: 1970 emigrierte seine Familie nach München.

Polnauer, der auch deutscher Staatsbürger ist und im Gespräch ein charmantes Mischmasch aus Deutsch und Englisch spricht, studierte dort an der Hochschule für Film und Fernsehen. „Meinen Abschlussfilm machte ich mit Werner Herzog.“ Kunstpause. „Er spielte in meinem Film.“ Das alles sei „a few years back“.

1977 zog es ihn weiter nach Israel, wo er zunächst als Diamanten-Polierer arbeitete: „Nach kurzer Zeit leitete ich die Firma“, sagt er und freut sich noch heute darüber. So dauerte es nicht lange, da handelte er mit Diamanten. Einer seiner ersten Aufträge führte ihn nach London, wo er im „Guardian“ eine Anzeige des englischen Traditionsjuweliers „House of Garrard“ entdeckte, die dort einen Diamanten im Tropfenschliff bewarb.

Leibish fasste sich ein Herz, rief dort an und ließ sich direkt zum Geschäftsführer durchstellen: Er sei Diamantenhändler aus Israel und auf diese Art von Schliff spezialisiert. Das war – gelinde gesagt – eine Übertreibung: „Ich hatte noch nie etwas mit dieser Art von Diamanten zu tun gehabt“, sagt er und lacht.

Seine Chuzpe brachte ihm allerdings einen persönlichen Termin bei Garrard ein. Dort herrschte Aufregung, denn die Tochter eines wichtigen Kunden war im Begriff zu heiraten und die Braut sollte ein Diadem mit 126 Diamanten im Tropfenschliff zieren – nicht zu klein, versteht sich. Ob Polnauer die besorgen könne? „Natürlich, gar kein Problem, meine Spezialität“, behauptete er.

Dann jettete er los: „Fast einmal quer durch die Welt.“ Und kam mit der gewünschten Ware zurück. Sein Lohn von 120.000 Pfund war damals „eine gigantische Summe“. Damit war er im Geschäft.

Heute hat auch er sich auf die „fancy colours“ spezialisiert. Die Hälfte seiner Ware verkauft er allerdings inzwischen online im Netz. Bereits Ende der 90er-Jahre, als es „noch einen Tag dauerte, um ein Foto hochzuladen“, investierte er bereits in das Geschäftsmodell. Heute ist Leibish & Co der führende E-Commerce-Händler der Branche, gewissermaßen das Net-à-porter des Diamantenbusiness: „Es ist einfacher, farbige Diamanten online zu verkaufen als Kleidung“, behauptet er. Die Rückgabequote liege bei nur fünf Prozent.

Inzwischen hat das Unternehmen eine eigene Designabteilung und verkauft nicht nur die Steine, sondern auch eigens entworfenen Schmuck: „Sie möchten einen Ring mit einem Stein in der Farbe einer Zitrone“, fragt der muntere Herr und fuchtelt ein bisschen mit der Frucht, die vor ihm auf dem Schreibtisch herumliegt. „Ich habe ihn.“ Weiße Steine, da ist er mit den Moldawskys ganz auf einer Linie, seien heutzutage „zu konkurrenzbetont“.

Und mit Marylin Monroes Diamanten-Hit ist er ebenfalls auf Linie: „Die Leute sagen, die Liebe sei für immer. Aber das stimmt nicht. Die Leute lassen sich scheiden. Aber der Ring, der bleibt.“ Meistens bei der Frau, möchte man hinzufügen. Der Mann ist vermutlich schon wieder auf dem Händlerparkett – oder beschwert sich am Stammtisch über die Verflossene.

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