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Watches and Wonders 2024

Foto: Breitling

Watches and Wonders So wollen Luxusuhrenhersteller aus der Krise kommen

Die Luxusuhren-Branche steht vor einem Umbruch – unmittelbar vor ihrer wichtigsten Messe. Kunden halten sich angesichts immer neuer Preiserhöhungen zurück, Exporte und Auktionserlöse sinken, Kurzarbeit steht an. Eine Vorschau auf die Watches & Wonders in Genf.
Von Michelle Mussler

Die Geschäfte der erfolgsverwöhnten Luxusuhrenwelt stocken – ein Novum seit zwei Jahren. So sanken im Februar die Schweizer Uhrenexporte im Wert um 3,8 Prozent auf 2,15 Milliarden Franken (ca. 2,19 Milliarden Euro). Noch deutlicher zeigt sich der Rückgang mit 5,2 Prozent bei den Stückzahlen für Armbanduhren. Verursacher ist der zweitgrößte Markt der Branche: China brach um ein sattes Viertel, Hongkong um ein Fünftel ein. Die USA, als wichtigster Handelsort, wuchs zwar mit 5,5 Prozent, jedoch langsamer als erhofft. Auch Europa schwächelt mit minus 3,5 Prozent, wobei Deutschland mit minus 6 Prozent noch stärker nachgab.

„Mich überrascht der Rückgang nicht,“ sagt eine Branchenkennerin. Die Kauflaune der Kundinnen und Kunden sei bereits gedrückt, „obendrein boxen etliche Marken eine Preiserhöhung nach der anderen durch.“ Binnen 13 Monaten hätten einige Hersteller bis zu fünfmal die Preise angehoben. Als Argumente dienen die Inflation, der hohe Wechselkurs des Schweizer Franken und vor allem die gestiegenen Rohstoffkosten. Mit dem Ergebnis, dass Kunden, nachdem sie zwei Jahre brav auf ihre Uhr gewartet haben, jetzt bis zu 30 Prozent mehr dafür zahlen sollen.

Uhrenduell
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manager magazin

Michelle Mussler beobachtet für das manager magazin die Uhren- und Schmuckbranche. Jeden Monat lässt sie im Uhrenduell zwei Zeitmesser gegeneinander antreten.

Zur Kolumne „Uhrenduell“

Wartelisten schrumpfen nicht – sie brechen ein

„Das kann ich selbst Uhrenvernarrten nicht mehr vermitteln,“ erklärt die Geschäftsführerin des Multibrand-Stores. Sie erlebt, wie die Wartelisten für einst begehrte Modelle „nicht schrumpfen, sondern einbrechen“. Die meisten Anwärter sagen ab. Und diejenigen, die noch kaufen wollen, „holen die Uhr nicht wie üblich innerhalb von zwei Wochen ab, sondern erst in vier oder fünf Monaten“. Auf Patek Philippes klassische Ikonen Nautilus und Aquanaut muss man noch immer warten, jedoch sind deren Jahreskalender und Calatrava-Modelle wieder in erreichbare Nähe gerückt. Ähnlich bei Rolex, wo man für den Daytona Chronograph noch Geduld mitbringen muss, aber die beliebten Submariner-Modelle und GMT-Master wieder geliefert werden.

Wenn das Finanzamt klingelt

Die vielen Absagen beweisen zudem, dass die Uhren während niedriger Zinsen oft als Wertanlage oder als Spekulationsobjekte gedacht waren. Doch der Boom, als sie auf dem Zweitmarkt teilweise zum Dreifachen des Ladenpreises gehandelt wurden, ist vorbei. Inzwischen existiert auf Online-Portalen ein Überangebot, weshalb sich die meisten Preise auf dem Level von Neuware einpendeln.

Eine weitere Hype-Bremse ist das Finanzamt. Seit 2023 können Privatverkäufer in Deutschland maximal 2000 Euro oder bis zu 30 Transaktionen pro Jahr auf Verkaufsplattformen noch unter dem Radar umsetzen. Alles darüber hinaus müssen die Portale dem Finanzamt melden. Ein Gewinn bis zu 600 Euro ist für Privatverkäufer pro Jahr steuerfrei. Inzwischen erhielten einige Uhren-Dealer Post vom Finanzamt: hohe fünfstellige Beträge werden verlangt. Das Jammern in der Szene ist groß.

Sogar der bisher krisenfeste Auktionsmarkt für besonders hochpreisige Sammlerexemplare ist ins Rutschen gekommen. Laut des Hammertrack Berichts, der die sechs größten Auktionshäuser für Uhren, darunter Philips, Christie's und Sotheby's analysiert, gingen 2023 die Erlöse weltweit um 13 Prozent zurück. Der Bericht vermutet, dass Sammler und Spekulanten jetzt zu attraktiveren Auktionsmärkten abseits von Uhren wechseln: Zum Beispiel zu Schmuck, wo die Auktionserlöse seit 2021 konstant gestiegen sind, 2023 sogar um 20 Prozent.

Erst poltern, dann gegensteuern

Prompt legt Nick Hayek noch eine Schippe drauf. Der Konzernchef der Swatch Group, deren Aktie seit gut einem Jahr schwächelt, obwohl der Umsatz 2023 um 5 Prozent auf 7,88 Mrd. Franken (ca. 8,05 Milliarden Euro) gewachsen ist, geriet in Rage. In einer Konferenz beschimpfte er Finanzanalysten und Fondsverwalter: „Sie sind irrelevant. Es steht Ihnen frei, Ihre Aktien zu verkaufen.“ Vor wenigen Tagen folgte seine Verteidigung in der Neuen Zürcher Zeitung – er habe den Leuten nur die Wahrheit gesagt. Hayek und seine Familie sind Hauptaktionäre der Swatch Group, wozu Omega, Blancpain, Glashütte Original, Longines und Tissot zählen.

Hayek setzte öffentlichkeitswirksam nach: „Die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen sind uns wichtiger als kurzfristige Gewinne, nur um die Börse zufriedenzustellen.“ Womöglich liegt es auch an den Preiserhöhungen, denn Mitbewerber Richemont mit seinen Häusern Cartier, IWC, Jaeger-LeCoultre und Vacheron Constantin, performt an der Börse derzeit besser. Ebenso LVMH, wozu die Uhrenmarken Hublot, Tag Heuer und Zenith gehören. Noch wankelmütiger ist die Stimmung an der Basis. Die ersten Schweizer Zulieferfirmen stellten schon letzten Herbst auf Kurzarbeit um. Vereinzelte Uhrenmarken folgten im Winter mit Einstellungsstopps, die bis nach Deutschland Wellen schlugen – mehreren Medienagenturen wurde gekündigt und Projekte für 2024 eingestellt.

Der Fokus der Uhrenmarken liegt vorerst auf dem wichtigsten Branchen-Barometer: die Watches & Wonders als weltweit größte Neuheiten-Show.

Nomos – der große Newcomer aus Deutschland

Am 9. April startet die prestigeträchtige Uhrenmesse Watches & Wonders in Genf. „Dieses Jahr nehmen 54 renommierte Maisons und sieben Newcomer teil. Eine Rekordzahl,“ sagt CEO Mathieu Humair. Branchenriesen wie Rolex, Cartier und Patek Philippe sind darunter, aber auch Jaeger-LeCoultre, Montblanc, Van Cleef & Arpels sowie Hermès, Chanel und Chopard. Zu den bedeutenden Neulingen zählt Deutschlands größter Hersteller für mechanische Uhren: Nomos Glashütte, der neben A. Lange & Söhne als eine von zwei deutschen Manufakturen vertreten ist.

Der CEO der Watches & Wonders Organisation ist selbst von der großen Resonanz beeindruckt, nur leider können nicht alle Interessenten in den Ausstellerkreis aufgenommen werden. „Wir haben auf dem Messegelände der Palexpo nur begrenzt Platz und können nicht expandieren, weil wir das hohe Niveau an Dienstleistungen beibehalten wollen,“ erklärt Humair. Man rechnet mit mehr als 50.000 Besuchern, weshalb die Messe ihre Publikumstage auf drei erhöht. Notgedrungen weichen viele Marken auf andere Orte in Genf aus, um dort ihre Neuheiten und Uhrmacher-Knowhow zu demonstrieren. Humair sieht darin keine Konkurrenz: „Wir begrüßen weitere Initiativen wie 'In the City' und 'Time to Watches', die während des Genfer Salons organisiert werden und so zur Vielfalt der Uhrenwelt beitragen.“

Doch die Aussteller stehen vor einem Dilemma. Sie wissen, dass der Markt nach niedrigeren Preisen verlangt und sie stärker als jemals zuvor an ihrer Preispolitik gemessen werden. Die Entwicklung ihrer Uhrenneuheiten begann jedoch vor ein oder zwei Jahren, als die Umsätze noch stiegen. Die ersten Vorboten lassen ahnen, mit welchen Trends die Manufakturen ihre Kunden überzeugen wollen: Farben sollen gute Laune verbreiten, die bei den oberen Luxusmarken meist gedeckt elegant und im mittleren Preissegment eher frisch bis kräftig daherkommen. Der monochrome Look wird weiterhin vor allem in Gelbgold zelebriert, bei den Uhrengrößen sowie im Design kommt es bei den Geschlechtern immer häufiger zu einem Unisex-Match. Klassische Damenmodelle kommen jetzt auch ohne Edelsteine aus, was die Preise reduziert und dem aktuellen Modetrend der jüngeren Zielgruppe entspricht: Quiet Luxury wird sicher eines der Schlagworte auf der diesjährigen Watches & Wonders.